Klangräume verstehen
Wenn Schönheit in den Augen der Betrachtenden liegt, sitzt dann der Wohlklang in den Ohren der Hörenden?
Zwar ist unser Hören – oder genauer: die Reaktion auf das Gehörte – tatsächlich von unserer Person, Situation, Gemütslage etc. beeinflusst. Paradebeispiel dafür ist die lautstarke Gegenwart von Kindern. Kinder gehören zu unserem Leben, auch im öffentlichen Raum. Doch die Reaktionen auf Kinderlärm – von fröhlich bis quengelnd oder gar aggressiv streitend – fallen sehr unterschiedlich aus und hängen davon ab
- ob es unsere eigenen sind oder fremde (Beziehung zur Quelle)
- ob wir aus Überzeugung Kindern gegenüber tolerant sind (Grundhaltung)
- ob wir gerade entspannt und grosszügig sind oder gestresst und empfindlich (Stimmung)
- ob wir nötigenfalls ausweichen können (Beeinflussbarkeit)
- ob der Lärm nur stört oder uns an einer Aktivität wie z. B. Lesen hindert (Einschränkung)
Unabhängig von all diesen individuellen oder momentanen Faktoren gibt es aber viele Gemeinsamkeiten in der Verarbeitung von Geräuschen, die durch die ursprüngliche Funktion des Gehörs gegeben sind. Wie das Faktenblatt Hören – WAS WIE WO zeigt, prägt nicht nur die Schallquelle (WAS) unsere Reaktion, sondern ebenso der Klang (WIE) und der Raum (WO).
Hören und erholen
Gehen wir in einen Park, um zu hören? Nein, wir möchten uns dort erholen und dem urbanen Getümmel entfliehen. Aber auch wenn wir nicht bewusst hinhören, beeinflussen die Geräusche unser Wohlbefinden. Erholsam wirken natürliche Geräusche wie Vogelgezwitscher (besonders eine Vielfalt davon), Blätterrauschen, Wasserklänge, aber auch dezente Menschenstimmen. Sie sollen mehr ins Ohr fallen als der omnipräsente Zivilisationslärm. Der Boden und die Schritte darauf sollen natürlich klingen und nicht hart und technisch, und der Schall soll gestreut reflektiert werden – wie in einem Wald (und nicht zurückgeworfen wie von einer Glasfassade). Reflexionen an Mauern oder Wänden sollen erwünschte Klänge unterstützen: fast wie in einem Konzertsaal, der die Musik zum Klingen bringt. Und wenn uns ab und zu ein besonderes Schallsignal – z. B. ein Schiffshorn vom See – aufhorchen lässt, dann umso schöner.
Hören und stören
Genauso wichtig ist aber, dass eine Umgebung unsere Vorhaben ermöglicht und unterstützt. An einem Erholungsort wollen wir uns mühelos unterhalten können, unbehindert von Lärm, aber auch ohne Bedenken, weiter entfernte Unbeteiligte könnten mithören. Auch ein Buch zu lesen, muss möglich sein. Kinder sollen unbeschwert spielen können, ohne andere übermässig zu stören. Nicht zuletzt wollen wir uns sicher fühlen. Auf einer Parkbank möchten wir Schritte direkt hinter uns hören können. Und wir möchten erkennen, wo und wie nahe ein Motorrad unterwegs ist.
Was wir – auch unbewusst – von einem Erholungsort im Siedlungsgebiet erwarten, definiert die akustischen Anforderungen an einen Park, Platz oder Innenhof.
12 Kriterien für eine erholsame Klangqualität
Allgemeine Situation, Ruhe
Wird der Ort als ruhig empfunden, deutlich ruhiger als die Umgebung?
Vorherrschende Geräusche
Überwiegen natürliche oder vor-industrielle Geräusche gegenüber technischen?
Geräuschvielfalt – Klangvielfalt
Gibt es eine Vielzahl von positiven Geräuschen: Vogelgesang, Menschen-stimmen, Wassergeräusche, …?
Kommunikationsfreundlichkeit
Ist eine persönliche Unterhaltung mühelos möglich, aber auch die Privatsphäre auf Distanz gegeben?
Akustische Nutzungsverträglichkeit
Stören sich verschiedene Aktivitäten dank Abschirmung oder Distanz gegenseitig nicht oder nur wenig?
Schallausbreitung und Reflexionen
Gibt es eine Abschirmung gegen Lärm von aussen und angenehme (diffuse) Reflexionen im Innern, kein Flatterecho?
Ortung in Richtung und Distanz
Sind kritische Objekte von dort zu hören, wo sie sich befinden oder gibt es Irritationen durch Reflexionen?
Wassergeräusche
Werten Wasserklänge wie Tropfen, Plätschern, Rieseln oder Rauschen die Klanglandschaft auf, ohne zu stören?
Spezielle Schallquellen
Bereichern Klangkunstobjekte, Klangspiele oder andere künstliche Schallquellen den Ort, ohne Anwesende zu stören?
Sicherheit vor Störungen auf dem Platz
Ist der Ort vor eklatanten Störungen auf dem Platz (wie bspw. der Durchfahrt eines Motorrads) geschützt?
Klangraum nach Wahl
Gibt es auf kurze Distanzen unterschiedliche Klangräume (z. B. ruhige, belebte) zur Auswahl? (Bonuskriterium)
Einzigartigkeit, Erkennbarkeit
Ist der Ort anhand von positiv empfundenen typischen Geräuschen (Soundmarks) zu erkennen? (Bonuskriterium)
Was diese Kriterien in einem grossen Stadtpark konkret bedeuten können, zeigt das Video «Hören im Park: 12 Kriterien für eine erholsame Klangqualität» am Beispiel des Alten Botanischen Gartens in Zürich.
12 Kriterien für eine erholsame Klangqualität
Allgemeine Situation, Ruhe
Wird der Ort als ruhig empfunden, deutlich ruhiger als die Umgebung?
Ortung in Richtung und Distanz
Sind kritische Objekte von dort zu hören, wo sie sich befinden oder gibt es Irritationen durch Reflexionen?
Vorherrschende Geräusche
Überwiegen natürliche oder vor-industrielle Geräusche gegenüber technischen?
Wassergeräusche
Werten Wasserklänge wie Tropfen, Plätschern, Rieseln oder Rauschen die Klanglandschaft auf, ohne zu stören?
Geräuschvielfalt – Klangvielfalt
Gibt es eine Vielzahl von positiven Geräuschen: Vogelgesang, Menschen-stimmen, Wassergeräusche, …?
Spezielle Schallquellen
Bereichern Klangkunstobjekte, Klangspiele oder andere künstliche Schallquellen den Ort, ohne Anwesende zu stören?
Kommunikationsfreundlichkeit
Ist eine persönliche Unterhaltung mühelos möglich, aber auch die Privatsphäre auf Distanz gegeben?
Sicherheit vor Störungen auf dem Platz
Ist der Ort vor eklatanten Störungen auf dem Platz (wie bspw. der Durchfahrt eines Motorrads) geschützt?
Akustische Nutzungsverträglichkeit
Stören sich verschiedene Aktivitäten dank Abschirmung oder Distanz gegenseitig nicht oder nur wenig?
Klangraum nach Wahl
Gibt es auf kurze Distanzen unterschiedliche Klangräume (z. B. ruhige, belebte) zur Auswahl? (Bonuskriterium)
Schallausbreitung und Reflexionen
Gibt es eine Abschirmung gegen Lärm von aussen und angenehme (diffuse) Reflexionen im Innern, kein Flatterecho?
Einzigartigkeit, Erkennbarkeit
Ist der Ort anhand von positiv empfundenen typischen Geräuschen (Soundmarks) zu erkennen? (Bonuskriterium)
Was diese Kriterien in einem grossen Stadtpark konkret bedeuten können, zeigt das Video «Hören im Park: 12 Kriterien für eine erholsame Klangqualität» am Beispiel des Alten Botanischen Gartens in Zürich.
Beurteilung der Klangqualität von Erholungsorten im Siedlungsbereich
Das Beurteilungsformular von Cercle Bruit Schweiz führt bei jedem der oben aufgeführten Kriterien beispielhafte positive und negative Merkmale auf, die bei der Beurteilung helfen können. Die Bewertung wird in fünf Stufen von «sehr schlecht» bis «sehr gut» vorgenommen. Die mittlere Stufe steht für «neutral» oder «nicht anwendbar». Bonus-Kriterien können nicht negativ bewertet werden.
Am besten wählt man für die Begehung eines Ortes die Zeit über Mittag, wenn viele Leute dort Pause machen. Mit geschlossenen Augen lauscht man ein paar Minuten, wie der betreffende Ort klingt. Dann trägt man bei jedem Kriterium die Beurteilung ein und notiert die ausschlaggebende Feststellung. So werden die Stärken und Schwächen des Ortes deutlich.
Das Beurteilungsformular erlaubt auch, die Klangqualität gesamthaft auf einer Skala von 1 (unbrauchbar) bis 6 (sehr gut) einzustufen. Dabei darf von einem verkehrsreichen Platz natürlich nicht die hohe Bewertung eines grossen Stadtparks erwartet werden.
Voraussetzung für eine solche Einstufung ist aber, dass man sich vorher an einem Referenzort mit bekannter Beurteilung – möglichst ähnlich dem zu beurteilenden Ort – mit dem Massstab vertraut gemacht hat. Dann erst ist man für eine eigene Beurteilung gerüstet. Diese bildet dann die Basis für Verbesserungen in den Gestaltungsbereichen.
Eine solche Beurteilung ist bei allen neun Beispielsituationen wiedergegeben. Deshalb kann auch jeder dieser Orte als Referenz für eine eigene Beurteilung dienen.
Klangräume akustisch verstehen
Die 12 Kriterien orientieren sich an der Wahrnehmung und können mit den beispielhaften Merkmalen auf dem Formular auch ohne akustische Fachkenntnisse beurteilt werden.
Wenn es aber um mögliche Verbesserungen an Klangräumen geht, sind Kenntnisse der grundlegenden akustischen Begriffe, Schallgrössen und Vorgänge von Vorteil. Besonders wichtig für die Klangraumgestaltung ist die Schallausbreitung und wie sie beeinflusst werden kann, aber auch, wann unerwünschte Effekte wie ein (Flatter-)Echo entstehen können.
Last but not least ist gut zu wissen, dass die Sprachverständlichkeit als eine der wichtigsten Anforderungen an einen erholsamen Aussenraum bei Bedarf gemessen und objektiv beurteilt werden kann.
All das findet sich kompakt im 1×1 Akustik für Klangarchitektur