Klangräume planen

Zuständig für die Aussenräume wie Parks, Grünanlagen, Plätze und Innenhöfe sind zum einen die jeweiligen Behörden der öffentlichen Hand oder aber private Grundeigentümer:innen. An ihnen liegt es, akustische Aspekte in der Planung zu fordern. Die Umsetzung ist Sache der beauftragten Raum- und Stadtplaner:innen zusammen mit Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen und Lärmschützer:innen. Gestalten sie Aussenräume mit hoher Aufenthaltsqualität, finden Menschen darin Erholung und Ausgleich. Dies trägt auch zur Gesundheit bei.


Verdichtung als raumplanerische Zielsetzung


Mit der Siedlungsentwicklung nach Innen nutzen immer mehr Menschen die vorhandenen öffentlichen Aussenräume. Die verbleibenden Flächen müssen eine hohe Aufenthaltsqualität aufweisen. Dazu zählt auch die akustische Qualität, also wie es in diesen Freiräumen klingt.


Synergien mit Hitzeminderung und Biodiversität


Praktisch alle hitzemindernden Massnahmen im Siedlungsgebiet wie die Entsiegelung der Böden, Begrünung und mehr Wasser wirken sich auch positiv auf den Klangraum aus.

Zudem kann mit diesen Massnahmen auch einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren geleistet werden, von welchen insbesondere die verschiedenen Vogelarten für eine Bereicherung des Klangs interessant sind.


Klangraumgestaltung kann Lärmschutz nicht ersetzen


In stark lärmbelasteten Freiräumen bleibt eine Klangraumgestaltung wirkungslos. In einer lauten Umgebung ist in erster Priorität klassischer Lärmschutz gefragt. Bei starkem Verkehrslärm geht es darum, mit Massnahmen an der Lärmquelle oder auf dem Ausbreitungsweg die Belastungen zu reduzieren. Dies können lärmarme Strassenbeläge oder Geschwindigkeitsreduktionen, aber auch Lärmschutzwände oder Dämme sein. Bauliche Lärmschutzmassnahmen sind im Siedlungsgebiet städtebaulich heikel und oft unerwünscht. Für die Aussenraumqualität genügen jedoch schon niedrige Hindernisse oder das Schliessen einer Lücke zur Strasse hin.

Leider gelten die aktuellen Lärmgrenzwerte nur für Gebäude. Bei Aussenräumen bestehen noch keine gesetzlichen Vorgaben.

Mehr zum Thema Lärmschutz und Bauen an lärmigen Lagen finden Sie unter: baukultur-laerm.ch 


Siedlungsstrukturen – Herausforderungen, Chancen, Zielkonflikte


Die vorhandenen Siedlungsstrukturen und die städtebaulichen Voraussetzungen im betroffenen Planungsperimeter bilden eine Rahmenbedingung für die Klangraumarchitektur.

Klangräume planen – eine Checkliste

Ein akustisch wertvoller Aussenraum ist nicht zwingend möglichst ruhig. Verschiedene Geräuschkulissen unterstützen unsere Wahrnehmung des städtischen Raums positiv, sorgen für ein abwechslungsreiches Klangerlebnis und dienen der Orientierung.

Guter Klang darf nicht dem Zufall überlassen werden, sondern ist bei der Planung neuer oder der Umgestaltung bestehender Parkanlagen, Grünflächen, Plätzen und Innenhöfen mitzudenken.

Dabei sind Beobachtungen vor Ort sowie Gespräche mit den späteren Nutzerinnen und Nutzern, mit Behörden, Quartiervereinen oder anderen lokal vernetzten Personen sinnvoll. Wenn immer möglich, sollten diese in einem partizipativen Verfahren miteinbezogen werden.

Folgende vier Planungsschritte sollen helfen, die Klangwelt als Teil der Aufenthaltsqualität solcher Freiräume miteinzubeziehen.

Eine verdichtete und ungleichmässige Gebäudeanordnung mit kleinen Baukörpern, wie sie zum Beispiel Altstädte aufweisen, zeichnet sich durch vielfältigste akustische Eigenschaften aus. Verästelte Wege, verwinkelte Plätze und vielförmige Gebäude weisen günstige Resonanz- und Reflexionsbedingungen auf. Abwechslungsreiche Materialien für Bodenflächen und Wandflächen und strukturierte Fassaden vergrössern die Vielfalt zusätzlich. In einer Altstadt stehen die Chancen für Klangqualität daher besonders gut.

Altstadt Zürich
Bild: Thomas Gastberger

Hirschenplatz in Luzern
Bild: Beat W. Hohmann

Wie ein Altstadtplatz klingen kann, zeigt der Hirschenplatz in Luzern mit den hohen, aber schiefwinkligen und stark gegliederten Fassaden rundum: Neben dem dezenten Plätschern des Brunnens ist ein zum Ort passender Nachhall zu hören, ohne störendes Echo.

Maagplatz in Zürich

Bilder: Thomas Gastberger

Die neuen Zentren werden in grösseren Dimensionen gebaut. Vor allem im urbanen Raum sind aneinander stehende, monolithische Gebäude zwischen den Verkehrsachsen gleichmässig angeordnet und verursachen akustische Bedingungen, die als monoton und unpersönlich erlebt werden. Zwischen den Gebäuden schaukelt sich der Verkehrslärm auf, was wir als unangenehm dröhnend wahrnehmen. Glatte Fassadenoberflächen und flache Bodenflächen reflektieren den Lärm zusätzlich und sind für eine schlechte Klangqualität direkt verantwortlich. Lücken zwischen den Gebäuden führen dazu, dass der Verkehrslärm auch in die lärmabgewandten Bereiche der zweiten Bautiefe eindringt.

Aussenräume sind Lebensräume und sollen auf die Bedürfnisse der Nutzenden ausgelegt sein. Diese können unterschiedlich sein. Deshalb bedingt die Planung in einem ersten Schritt eine eingehende Analyse des Ortes. Dazu zählen die akustischen Gegebenheiten, die Nutzungsbedürfnisse und die weitere Umgebung.

Fragen zu den Bedürfnissen:

  • Was für Angebote werden in der näheren Umgebung bereits abgedeckt? Wonach besteht Bedarf?
  • Werden die vorhandenen Aussenräume in der Umgebung genutzt? Von wem und wie stark? Oder weshalb nicht?
  • Bestehen Unterschiede zwischen den verschiedenen Tageszeiten, Wochentagen, Jahreszeiten?
  • Bestehen in den Aussenräumen der Umgebung Nutzungskonflikte? Wenn ja, weshalb?
  • Welche Bedürfnisse soll der im Fokus stehende Raum abdecken?

Fragen zur klangräumlichen Situation:

  • Ist der Aussenraum eher ruhig oder lärmbelastet?
  • Welche Geräusche herrschen vor? Sind es natürliche oder technische Geräusche?
  • Sind verschiedene positive Geräusche und Klänge hörbar? Welche Defizite bestehen?
  • Wie ist die Sprachverständlichkeit? Ist eine mühelose Unterhaltung möglich?
  • Sind störende Reflexionen vorhanden? Stimmt die visuelle Wahrnehmung mit dem überein, was wir auch tatsächlich hören?

Für die Analyse helfen die detaillierten Beurteilungskriterien und das  Beurteilungsblatt.

  • Wem und für welche Aktivitäten soll der künftige Freiraum dienen?
  • Welche akustischen Qualitäten muss der Aussenraum aufweisen, damit die vorgesehenen Aktivitäten möglich sind? Klangräume kritisch gehört
  • Sind dazu verschiedene Zonen oder Bereiche festzulegen?
  • Ist eine Differenzierung bzgl. Tageszeit, Wochentag oder Jahreszeit nötig?
  • Raum für Aneignung lassen: Konflikte und Bedürfnisse zeigen sich oft erst mit der Benutzung. Provisorien können helfen, Erfahrungen zu sammeln und ermöglichen Partizipation.
  • An welchen Orten sind Lärmminderungen oder Abschirmungen von bestehenden und zukünftigen Lärmquellen nötig?
  • Aussenräume bezüglich Nutzung strukturieren: Ruhige Räume und Bereiche bewahren. Laute Nutzungen (z. B. Spiel- und Sportplätze, Grillstellen) entweder etwas abseits oder dort anordnen, wo bereits ein gewisser Geräuschpegel vorhanden ist.
  • Nutzungskonflikte durch Zeitmanagement lösen: Beispielsweise ist ein Spielplatz für Kleinkinder nur tagsüber in Benutzung und daher in der Nähe von Wohnungen gut verortet. Ein Treffpunkt für Jugendliche sollte hingegen so liegen, dass abends und nachts keine Anwohner:innen gestört werden.
  • Welche zusätzlichen Klänge braucht es in welchen Bereichen des Freiraums?
  • Welche Massnahmen in welchen Gestaltungsbereichen sind dazu notwendig?
    Klangräume gestalten
  • Überprüfung der Massnahmen anhand von möglichen Zielkonflikten (siehe unten)

Nachdem die verschiedenen Massnahmen realisiert sind, soll der Freiraum anhand der Beurteilungskriterien erneut analysiert werden.

  • Wie ist die Aufenthaltsqualität für die Nutzer:innen vor Ort?
  • Welche akustischen Qualitäten sind vorzufinden?
  • Welche Massnahmen waren wirkungsvoll, welche nicht?

Meist braucht es etwas Zeit, bis sich die Nutzer:innen den Raum angeeignet haben. Es empfiehlt sich deshalb, einen Ort mehrmals zu besuchen und zu verweilen. So lässt sich die Wirkung am besten beurteilen.

Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich dann auf die nächsten Projekte übertragen. Davon profitieren alle.

Wie bei anderen Gestaltungsaufgaben ist für eine gelungene Klangraumgestaltung vorab der Beizug einer akustischen Fachplanung hilfreich, insbesondere bei grossen Projekten. Dafür kommen Personen in Frage, welche sich explizit mit Klangraumgestaltung befasst haben.

Mögliche Zielkonflikte

Bei der Planung von Freiräumen müssen verschiedene Ansprüche miteinbezogen werden, und dies häufig innerhalb von einem knappen Kostenrahmen. Zielkonflikte sind vorprogrammiert. Nachfolgend ein paar häufige Konflikte zwischen den Zielvorstellungen von Akustik, Städtebau und Architektur:

  • Parallel <> schrägwinklig: Orthogonale Stadtstrukturen sind wirtschaftlich zu planen und räumlich effizient. Akustisch sind schräg zueinanderstehende Gebäude oder Gebäudeteile besser.
  • Offenheit <> Zonierung: Der Nutzungsflexibilität zuliebe sind gerade öffentliche Plätze heute oft möglichst offen und flach; Bäume und Sitzgelegenheiten stehen vorzugsweise an den Rändern. Wenn Niveauunterschiede, Nischen und Elemente wie Kleinbauten oder Möbel den Platz strukturieren, wirkt sich das positiv auf die akustische Situation aus.
  • Asphalt <> Naturboden: Versiegelte Böden sind praktisch im Unterhalt und unkompliziert zu begehen und zu befahren, auch für Menschen mit Handicap. Akustisch sind strukturierte und entsiegelte Böden aber vorteilhafter, denn sie streuen den Schall. Zudem sind Naturböden gute Absorber. Deshalb gilt beim Versiegeln: So viel wie nötig und so wenig wie möglich.
  • Kompakt <> strukturiert: Einfache, kompakte Baukörper mit einer kleinen Fassadenabwicklung sind wirtschaftlich und energetisch effizient. Solch unstrukturierte Gebäudekörper sind aber akustisch ungünstig. Elemente wie vorgelagerte Balkone, Laubengänge oder Vordächer bringen die notwendige Strukturierung.
  • Glatt <> rau: Fassaden aus Beton und Glas sind langlebig, unterhaltsarm und feuerfest – und deshalb gerade im urbanen Kontext sehr beliebt, führen jedoch zu akustischer Monotonie im Stadtraum. Ebenso robuste und urbane Alternativen wie Welleternit, strukturierter Naturstein oder Backstein streuen den Schall.